Wenn Geschichte lebendig wird

Das historische Fest holte am 26. Mai 2013 das alte Nottuln zurück

Es ist wie ein Bild aus längst vergangenen Zeiten: Da sitzt ein Korbflechter auf dem Stiftsplatz neben Frauen, die Wolle spinnen. Etwas weiter dreht ein Seiler seine Ware und Kinder schlüpfen in gerade geschnitzte Holzschuhe. Voll Wonne beißen sie in die frischen Brezeln, die ein Kiepenkerl verteilt und möchten hinterher am liebsten noch einen Buchweizenpfannekuchen mit Apfelmus. Von einer Esse steigt Rauch auf, während der Schmied glühendes Eisen bearbeitet und daraus ein Hufeisen formt. Schokoladenmädchen schenken den Kakao der Azteken aus. Und selbstverständlich fließt das selbstgebraute Bier an diesem Tag in Strömen.


Auch Paul Gerhardt ist zu sehen, umringt von zahlreichen Menschen. Der evangelisch-lutherische Theologe und Kirchenlieddichter erzählt aus seinem Leben und stimmt dann mit seinen Zuhörern das Lied "Geh aus mein Herz und suche Freud" an. Doch all’ das ist keine Beschreibung eines barocken Bildes: Es war die Wirklichkeit und wir waren mittendrin, und zwar am 26. Mai 2013 dem Tag des Historischen Festes einschließlich der Nottulner Stiftsdamen, die ebenfalls ihren großen Auftritt hatten. Dargestellt wurden sie von Schülerinnen der Liebfrauenschule, die unter der Leitung ihres Lehrers Rudolf Höggemeier ein selbstgeschriebenes Theaterstück einstudiert hatten, welches sie während des Barockfestes aufführten. Von den Stiftsdamen war an diesem Tag immer wieder die Rede. Schon bei dem vom "Chorus Cantemus" unter Thomas Drees musikalisch gestalteten barocken Hochamt in der Kirche St. Martinus erklangen ihre alten Gesänge, die einem erst kürzlich wiederentdeckten Gesangsbrevir enstammten. Da in der ersten Reihe saß doch tatsächlich die Äbtissin des Stiftes Anna Maria von der Reck neben dem Baumeister Johann Conrad Schlaun - sie waren Ehrengäste des Festes.

 

Alte westfälische Trachten, schlichte Jutekleider, das ein oder andere ausladend barocke Prachtkleid, preußische oder westfälische Uniformen, Kiepenkerle in ihren blauen Hemden und Kinder mit Hauben bestimmen Ende Mai das Bild im Ortskern von Nottuln. Und plötzlich brauchte man gar nicht mehr so viel Phantasie um sich vorzustellen, wie es in Nottuln früher ausgesehen hat. Als es noch keine Autos gab und kein elektrisches Licht und als das Wasser noch vom Brunnen geholt werden musste.


An diesem 26. Mai standen alle alten Gebäude des Stiftsdorfes offen. In der Alten Amtmannei spielten unter anderem die Blockflöten der Corona Musica. In derAscheberg'schen Kurie lenkten die Aquarelle von Dr. Theo Damm die Blicke auf die Details der Nottulner Gebäude. Dort spielte am frühen Abend Hildegard Hagemann mit ihrer Gruppe barocke Musik. Undoben im Sitzungssaal erinnerte die "Daruper Landpartie" an Annette von Droste-Hülshoff und ihre Freundschaft zu dem Daruper Landrat und Homöopathen Clemens Maria von Bönninghausen.

In der Senden'schen Kurie stellte der Nottulner Heimatforscher Holger Howey seine Karten und Computeranimationen des alten Nottuln vor, in der Ascheberg'schen Kurie imÄbtissinnenzimmer erzählten nach der Messe bis in die Abendstunden Anna Maria von der Reck und Johann Conrad Schlaun zwischen alten Dokumenten, Büchern, altem Geschirr und Bildern, altenKerzenleuchtern und alten Gewändern davon, wie es früher in Nottuln gewesen ist. Im Spieker standen Märchenerzählerinnen zwischen den Holzdrucken von Heinrich Everz und zog mit ihren Sagen undMärchen aus Nottuln und der Umgebung Kinder und Erwachsene gleichermaßen in ihren Bann. Und in der Buchhandlung Maschmann gab es den ganzen Sonntagnachmittag in interessanten Lesungen um dieLiteratur des Münsterlandes.

Das historische Fest selbst begann am 26. Mai (Sonntag) mit einer barocken Messe in der St. Martinus-Kirche. Danach öffnete ein historischer Handwerkermarkt seinePforten. Den Abschluss des Festes bildeten am Abend ein prächtiger Kostümball in der Alten Amtmannei sowie ein barockes Feuerwerk.

Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden, Helfern, Besuchern und Organisatoren für ein tollen Tag und ein wunderschönes Fest!

Bilder: Achim Guhr u.a.